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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: 8 WF 101/08
Rechtsgebiete: RVG-VV, RVG


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 3206
RVG-VV Nr. 3403
RVG-VV Nr. 2100
RVG § 34
In einer Familiensache löst im Revisionsverfahren die Beratung des Revisionsbeklagten durch seinen Prozessbevollmächtigten der ersten und zweiten Instanz dahin, dass eine Vertretung durch einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne, keine gesonderte Gebühr aus:

1. Eine 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 RVG-VV fällt nicht an, weil dem Prozessbevollmächtigten die Postulationsfähigkeit für ein Auftreten vor dem Bundesgerichtshof fehlt.

2. Eine 0,8-Verfahrensgebühr für sonstige Einzeltätigkeiten nach Nr. 3403 RVG-VV fällt nur an, wenn ein entsprechender Auftrag erteilt wurde, wovon bei der vorliegend erteilten Beratung nicht ausgegangen werden kann.

3. Eine 0,5- bis 1,0-Beratungsgebühr nach Nr. 2100 RVG-VV n. F. (Nr. 2200 RVG-VV a. F.) erfordert eine Prüfung der Erfolgsaussicht der Revision. Sie entsteht deshalb nicht bei einer lediglich verfahrensrechtlichen Beratung.

4. Eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG n. F. (Nr. 2100 RVG-VV a.F.) wird durch die genannte Auskunftserteilung nicht ausgelöst, sondern ist gebührenrechtlich gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG als dem vorangegangenen Rechtszug zugehörig anzusehen.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 101/08

10. Juli 2008

In der Familiensache

wegen Zugewinnausgleich; hier: Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch

Richterin am Oberlandesgericht Tschersich als Einzelrichterin gem. § 568 S. 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Balingen - Familiengericht - vom 9. Mai 2008, Az. 5 F 73/02, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 764,69 Euro

Gründe:

1.

In der Familiensache wegen Zugewinnausgleichs wurde durch Urteil des BGH vom 9. Januar 2008, Az. XII ZR 33/06, die Revision des Beklagten auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 26. Februar 2008 verlangt die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten der 1. und 2. Instanz die Erstattung einer für ihn geltend gemachten 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 RVG-VV nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 764,69 Euro mit der Begründung, dass ihm alle Schriftsätze und Entscheidungen zugestellt worden seien und die Klägerin dahingehend beraten worden sei, dass eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne.

Der Beklagte ist durch seinen Prozessbevollmächtigten im Revisionsverfahren dem Antrag entgegengetreten. Im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Inhalt dessen Schriftsatzes vom 10. März 2008.

Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 9. Mai 2008 den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen unter Hinweis auf die fehlende Postulationsfähigkeit des Klägervertreters vor dem BGH.

Gegen die am 14. Mai 2008 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 19. Mai 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und weiter vorgetragen, dass sie am 3. März 2006 und Anfang Juli 2006 um Beratung nachgesucht habe, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ihrerseits einzuleiten seien. Hierdurch sei zumindest eine 3/10-Beratungsgebühr angefallen und erstattungsfähig.

Der Beklagte hat hierzu keine weitere Stellungnahme abgegeben und der Rechtspfleger hat ohne Abhilfe mit Beschluss vom 25. Juni 2008 die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), aber in der Sache unbegründet.

a)

Die mit dem Kostenfestsetzungsantrag beanspruchte 1,1-Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren nach Nr. 3206 RVG-VV ist nicht angefallen, weil dem Klägervertreter die Postulationsfähigkeit für ein Auftreten vor dem Bundesgerichtshof fehlt.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2007, Az. V ZB 110/06, veröffentlicht in NJW 2007, 1461, für die Nichtzulassungsbeschwerde klargestellt, dass die Verfahrensgebühr (Nr. 3506 RVG-VV) für die anwaltliche Tätigkeit in dem Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 544 ZPO) nur entsteht, wenn der mit der Wahrnehmung der Rechte in dem Verfahren beauftragte Rechtsanwalt vor dem Bundesgerichtshof postulationsfähig ist. Die Entstehung der Gebühr setzt voraus, dass dem Rechtsanwalt ein umfassender Auftrag zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten in dem gerichtlichen Verfahren dahin erteilt worden ist, den Rechtsbehelf einzulegen oder sich gegen diesen zu verteidigen. Der nicht postulationsfähige Rechtsanwalt ist aber an der Erfüllung eines solchen Auftrags aus einem in seiner Person liegenden Grund gehindert, weswegen der Auftraggeber eine den Auftrag voraussetzende Verfahrensgebühr als Gegenleistung nicht schuldet.

Dieselben Erwägungen treffen unzweifelhaft auch auf das Revisionsverfahren gem. §§ 542 Abs. 1, 543 ZPO zu.

Die geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3206 RVG-VV ist damit bereits nicht angefallen.

b)

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit des nicht postulationsfähigen Rechtsanwalts, den Auftrag teilweise auszuführen und einzelne Tätigkeiten für seinen Auftraggeber nach Nr. 3403 RVG-VV abzurechnen. Die danach angefallene Verfahrensgebühr für eine sonstige Einzeltätigkeit wäre auch erstattungsfähig gem. § 91 ZPO (BGH NJW 2007, 1461; BGH NJW 2006, 2266). Voraussetzung wäre aber wiederum ein entsprechender Auftrag (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Nr. 3403 RVG-VV Rdnr. 9 ff m. w. N.; BGH NJW 2006, 2266).

Ein solcher Auftrag wird von der Klägerin selbst nicht behauptet, sondern dargelegt, dass sie ihren Prozessbevollmächtigten zur Beratung aufgesucht habe.

Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 RVG-VV ist danach ebenfalls nicht angefallen.

c)

Im Beschwerdeverfahren beruft sich die Klägerin demgemäß darauf, dass zumindest eine 3/10-Beratungsgebühr angefallen und erstattungsfähig sei.

Gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG gehören zum Rechtszug insbesondere die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. Diese Tätigkeiten haben unzweifelhaft keinen neuen Gebührentatbestand erfüllt. Sie sind mit der Verfahrensgebühr der vorangegangenen Berufungsinstanz abgegolten.

Durch die von der Klägerin erbetene Beratung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen im Revisionsverfahren einzuleiten sind und die hierauf von ihrem Prozessbevollmächtigten erteilte Auskunft, dass eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne, ist eine Beratungsgebühr nach Nr. 2200 RVG-VV in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bzw. nach Nr. 2100 RVG-VV n. F. nicht angefallen.

Der Klägervertreter behauptet selbst nicht, seine Mandantin auf Grund einer entsprechenden Prüfung über die Erfolgsaussicht der Revision beraten zu haben, sondern lediglich über den verfahrensrechtlichen Ausschluss eines Versäumnisurteils gegen sie bei Nichteinschaltung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts. Hierdurch wird aber die genannte Gebühr nicht ausgelöst.

Die Beratungsgebühr nach Nr. 2100 RVG-VV in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bzw. nach § 34 RVG n. F. ist ebenfalls nicht angefallen.

Die lediglich verfahrensrechtliche Auskunftserteilung, dass ein Versäumnisurteil nicht ergehen könne und deshalb ein BGH-Anwalt nicht erforderlich sei, ist nicht anders zu beurteilen als die Belehrung über die gegen ein Urteil zulässiges Rechtsmittel, für die nach Abschluss der Instanz keine besondere Ratsgebühr beansprucht werden kann (Madert in Gerold/Schmidt, a. a. O., § 34 Rdnr. 24), da diese Auskunft der anwaltlichen Tätigkeit im vorherigen Rechtszug zugerechnet wird.

So lehnt die Rechtsprechung der Obergerichte den Anfall, zumindest aber die Erstattungsfähigkeit einer Ratsgebühr ab, wenn nicht wenigstens die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels überprüft wurden (OLG Stuttgart/Senat MDR 1982, 412; OLG Köln JurBüro 1986, 1035; OLG Schleswig SchlHA 1989, 130; OLG Karlsruhe AnwBl 1996, 412; KG Berlin AnwBl 1998, 103; OLG Hamm AnwBl 2001, 371; OLG Hamburg AGS 2005, 388; OLG Brandenburg MDR 2006, 1259), wofür aber der Gesetzgeber den Gebührentatbestand nach Nr. 2200 RVG-VV a. F. bzw. Nr. 2100 RVG-VV n. F. vorgesehen hat.

Die Beratungstätigkeit des Klägervertreters, die gerade nicht die Überprüfung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels umfasste, stand noch in einem so untrennbaren Zusammenhang mit der Empfangnahme der Rechtsmittelschrift und ihrer Mitteilung an die Auftraggeberin, dass sie gebührenrechtlich gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG als dem vorangegangenen Rechtszug zugehörig anzusehen ist und durch die in der Berufungsinstanz erwachsenen Anwaltsgebühren abgegolten wird.

Damit ist auch eine Beratungsgebühr nicht angefallen.

d)

Die sofortige Beschwerde der Klägerin war deshalb mit der Kostenfolge von Nr. 1812 GKG-KV und § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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